06/07/2023

Wie das FMB seinen Auftrag zweimal verlor!

Vorbemerkung: Der folgende Text basiert im Wesentlichen auf meiner Austrittserklärung aus dem Film und Medienbüro Niedersachsen (FMB-Nds). Leicht überarbeitet habe ich sie nun aus der Schublade geholt, und habe das verwendete Präsens weitgehend stehen lassen. Mittlerweile sind zwei Jahren vergangen, in denen viel passieren kann, in denen auch ein Verein eine große positive Entwicklung durchlaufen kann. Vielleicht haben sich manche Kritikpunkte, die ich hier äußere, auch erledigt. Und irgendwie waren ja auch die meisten Mitglieder nett, aber es hilft ja nichts. Wie sagte noch Bodo Linnemann, ein Türsteher aus Hannover, wenn er Gäste abwies: „Seid nicht sauer!“

Es war 2021. Ein Jahr lang hatte Corona schon das Land dominiert. Und seit drei Jahren bewahrte ich Geduld, abwartend, ob sich im Vorstand des Vereins etwas positiv verändern würde. Dann trat ich zum zweiten Mal aus. Es gab auch private Gründe, das soll aber meine Kritik am FMB nicht schmälern. Es wäre ohnehin so gekommen. We never walked together. Eine nachtragende Kritik.

Kunst und Kultur als Feigenblatt


In den letzten Jahren hat sich das FMB zu stark zu einem Interessenverband von Produzenten entwickelt, der sich personell auch im Vorstand spiegelt. Der zweite große Elefant im FMB sind die besonders „hochwertigen“ SchulKinowochen. Zwischen den wirtschaftlich geprägten Interessen als Zulieferer für die hiesige Sendeanstalt NDR und den soziokulturellen Bestrebungen, in denen Film Teil einer gesellschaftspolitischen Agenda ist, gibt es für die Filmkunst mittlerweile keinen Platz mehr im FMB. Es existiert keine wesentliche Vereinsarbeit, die sich besonders der Filmästhetik annimmt. Es gibt dafür im Vorstand keinen Ansprechpartner mehr, keine Kompetenz. Das FMB betreibt erfolgreich Etikettenschwindel, ähnlich wie die Kreativwirtschaft, die ja auch ohne Kreativität auskommt. Der Politik ist es wohl recht, weil es mit Landesmitteln ihren Konformismus ins FMB hineintragen kann und ihre sozialdemokratischen Stellvertreter schon längst dort verweilten.

Digitales Wahlrecht stört analogen Klüngel


Meine Vorschläge, diese Asymmetrie im Vorstand aufzuheben, schlugen alle fehl. Es wurde nichts mit kürzeren Amtsperioden, um mehr Rotation im Vorstand voranzutreiben. Auch ein digitales Wahlrecht für Mitglieder blieb liegen, die nicht an den Jahreshauptversammlungen teilnehmen konnten. So bleibt es dabei, dass nur ein Bruchteil des Vereins entscheidet. Das war schon vor Corona so. 2020 wollte der Verein den Vorstand dann nur noch alle zwei Jahre neu wählen lassen. Kein Geheimnis: Nur personelle Rotation beugt einem Protektionismus vor, weil auch die damit verbundenen Netzwerke rotieren müssen. Mögliche Kandidaten würden sich ins Amt trauen, da sie nicht mehr befürchten müssten, andere aus dem Amt zu drängen, bzw. berechtigterweise die Plätze tauschen. Manche Vorstandsmitglieder haben sich an ihren Stühlen regelrecht festgeklebt. (Anm.: Diese Austrittserklärung existiert schon länger als es Klimaaktivisten gibt ;-)). Auch kein Geheimnis: Genauso sollten alle Gewerke im Vorstand abgebildet werden, um die vielfältigen Interessen des Vereins wahrzunehmen. Die Forderung nach einer Treatment-Förderung in Niedersachsen wäre mit einem Drehbuchautor als Vorstandsmitglied, der eben weiß, wie viel Arbeit in einem Treatment steckt – sicher nicht unter den Tisch gefallen. Bis zu meinem Austritt wussten das Land Niedersachsen und der Vergabeausschuss der nordmedia – immer noch nicht, dass diese Forderung nach einer gesonderten Treatment-Förderung im Vorstand regelmäßig auf dem Tisch lag. So bleibt es dabei, keine Treatment-Förderung bei der nordmedia, eine Förderung, die in anderen Länderfilmförderungen Standard ist und hier noch nicht mal diskutiert wird.

Viel Farbe und Hochglanz statt Transparenz


Es gab nie eine Übersicht im Rundbrief bzgl. der Beratungen für Filmprojekte, die das FMB durchführte. Wer berät eigentlich wen in welcher Sache? Wir wissen es nicht. Immerhin wurden dafür im Jahr Honorare im fünfstelligen €-Bereich ausgeschüttet. Damit hätten die zahlenden Mitglieder nicht nur Transparenz erhalten, wer von den Beratungen letztlich profitierte, sondern auch einen Überblick über filmische Aktivitäten in Niedersachsen bekommen. Warum zum Teufel hat das FMB einen Rundbrief? wenn nicht genau dafür – nämlich durch Information Transparenz zu erzeugen. Wahrscheinlich auch zu viel Transparenz: Eine Rubrik mit kurzen Berichten der Vorstandssitzungen – was wurde besprochen? Wer im Vorstand hat sich wie zu welchem Thema geäußert? Nicht eine Kontroverse ist dokumentiert. Die Mitglieder lässt man im Ruhezustand und eine kleine Portion Paternalismus kann nicht schaden. Stattdessen hat man den Rundbrief als kostenintensiven Hochglanz-Print in voll farbige Werbeflächen verwandelt, was unter Berücksichtigung seiner Reichweite recht sinnfrei wirkt und hat sich dann, folgerichtig, an dem gefakten Dokumentarfilm „Lovemobil“ die Finger verbrannt, weil niemand im Rundbrief seriöse Filmkritik will oder kann. Aber man kann im FMB bunt und glänzend drucken lassen. Man tanzt lieber blind und stolz ums goldene Kalb und affirmiert alle identitätspolitischen Trends – in der Hoffnung, nichts falsch zu machen, sondern alles richtig. Allenthalben herrscht bei einigen Mitgliedern der Glaube vor, dass ein wichtiges Thema zur eigenen Wichtigkeit beiträgt, bis die eigene Eitelkeit das Thema unangenehm in den Schatten stellt. Diese Art der Selbstdarstellung und Attitüde ruft ein Gefühl von Exploitation hervor, das vor keinem Thema Halt macht, auch nicht vor dem Thema Holocaust. So wird ein Hinsehen zum echten Ärgernis. Genau genommen, zu einem zweifachen Ärgernis, weil er dazu auch noch ein Trittbrettfahrer ist, weil sich Michalina Musielak mit dem Thema schon 2017 auf der Berlinale präsentierte und dort Miss Holocaust zeigte. Da nützt dann der Zusatz Survivor wenig.

Farbe statt Reichweite


Der Rundbrief war und ist in der Hauptsache ein Konglomerat aus Einreichterminen, Förderentscheidungen, Festivalberichten und Vereinsaktivitäten – es ist primär ein internes Organ. Wozu braucht es da eine Redaktion, die die Kosten für den Rundbrief beinahe verdoppelt? Der Rundbrief als Printausgabe ist verzichtbar und bei drei Ausgaben im Jahr unfassbar dünn und träge dazu. Mit bestimmt über 20.000.-€ hätte man eine effiziente Vereinsarbeit finanzieren können. Mehr Mitgliederveranstaltungen, mehr Filmpräsentationen. Stattdessen liegen Pressemitteilungen gerne mal mehr als ein Jahr auseinander. Selbst einen Filmpreis, den alle im Verein wollten, hätte man aus diesen Mitteln ins Leben rufen können. Schließlich war es verabredet, Reichweite, Image und Bekanntheit des FMB zu verbessern. Hierfür fehlte eine sinnvolle Öffentlichkeitsarbeit.

Folge der Spur des Geldes


Durch die Förderung des FMB mit Landesmitteln, ergab sich ein Zulauf mehr wirtschaftlich als kulturell orientierter Mitglieder, deren Interessen sich dann schnell im Vorstand konzentrierten. Das war schon einmal in der Geschichte des Vereins ein strukturelles Problem, als das FMB Mittel und Einfluss erhielt, und am Ende die Vereinsarbeit die Partikularinteressen einzelner Mitglieder camouflierte. Mitglieder zogen sich zurück oder traten aus – da wurde mein erster Austritt fällig. Dieser Verein sollte für alle da sein und alle Interessen abbilden. Ein Verein darf sich nicht zum Sammelbecken für diejenigen entwickeln, die sich gemäß ihrer filmischen Arbeit eigentlich in der freien Wirtschaft behaupten sollten und müssten. Jeder sollte sich kritisch die Frage stellen, aus welchen Motiven / aus welcher Motivation heraus er eigentlich Film macht und sich im FMB engagiert. Wer von den oben Genannten wäre noch Mitglied, wenn das FMB keine Landesmittel mehr erhielte und seinen Sitz im Vergabeausschuss, sowie das lukrative Honorar für einen zukünftigen Geschäftsführer verlöre? Es gab immer Altvordere im Verein, die den Verein mit viel Idealismus am Leben erhielten als das Land nichts für sie tat. Mir fehlt die Phantasie, wer in einer solchen Situation eben diese Aufgabe übernehmen würde, wenn es so käme. Diese Kräfte scheinen endgültig verschwunden zu sein.

FMB – keine Kunst und keine Kultur


Es passte dazu ins Bild, dass auf Jahreshauptversammlungen Mitglieder stolz ihre Werbespots und Imagefilme vorführten. So etwas passiert, wenn ein Verein seine eigene Satzung scheinbar nicht mehr kennt. Dort steht: „Der Verein dient der Förderung von Kunst und Kultur. Er hat den Zweck, die unabhängige Film- und Medienkultur Niedersachsens durch seine Aktivitäten zu festigen.“ Was nützt dieser Paragraph der Unabhängigkeit von Filmemachern, wenn Mitglieder des Vereins die Idee umkehren und ihre Vorstellung von Film durch den Markt definieren lassen und durch Aneignung dann als vereinseigene Bedürfnisstruktur ausgeben! Dies gilt besonders dann, wenn das FMB Gelder für Ausbildung einwerben will, weil den freien Produzenten von NDR-finanzierten Projekten die Arbeitskräfte bzw. Gewerke für Produktion bzw. Logistik fehlen. Ich kann die Sorge der Produzenten verstehen. Aber es ist nicht die Aufgabe des FMB junge Quereinsteiger für unterfinanzierte Projekte der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender zu organisieren. Und für welche Filme genau wir diese Gewerke benötigen, war der Überprüfung auch nicht wert. Hauptsache Jobs und Geld. Das ist einfach zu wenig. Wer im eigenen Interesse nichts mehr unterscheiden will, der findet im Kommerz natürlich immer Kunst. Und Kultur umfasst ja sowieso im weitesten Sinne alle Erscheinungsformen menschlichen Daseins. Wer will da schon widersprechen. Posthum würde ich Kultur aus der Satzung streichen, um der absoluten Beliebigkeit Einhalt zu gebieten.

Wenn Kollegen mir ins Ohr flüstern, dass sie meine Kritik teilen, hat ein Verein nichts davon, wenn sie es nicht selbst laut artikulieren. Die große Passivität der Mitglieder an der Basis, ist auch Grund, warum der Vorstand, sich seine Entscheidungen immer weniger bestätigen lässt und in dieser Passivität mehr Vorteile sieht als in engagierter Mitarbeit. Wer sich so passiv verhält, trägt mit Schuld daran, dass der Vorstand die Wahl des Geschäftsführers alleine trifft. Filmförderung strukturell zu diskutieren ist gut und wichtig, aber noch besser wäre es, wenn sie wieder mehr an künstlerisch-ästhetische, bzw. überhaupt an Inhalte gebunden wird. @liebes FMB – mehr Geld für Filme – da widerspricht doch keiner – aber für welche Filme?

Wenn es wesentliche Veränderungen mit frischem Personal geben sollte oder wider Erwarten ein besonders talentierter Geschäftsführer kommt, würde ich mich gewiss wieder engagieren. Jedenfalls war die Entwicklung des FMB seinerzeit mit ein Auslöser, um das Filmkunst-Konsulat ins Leben zu rufen. Dafür bin ich dem FMB im Nachhinein dankbar.

©2023 Text & 2021 Bildrechte | Carsten Aschmann, VG Bild-Kunst

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